Die Mesnerin Katharina Haller wird nach 53 Dienstjahren entpflichtet
Es war ein durchweg bewegender Abendgottesdienst in der St. Johannes Kirche in Bodenmais, den die evangelische Kirchengemeinde am Freitagabend (31.10.) anlässlich des Reformationsfestes um 19 Uhr feierte. Und das lag nicht nur, aber auch an den Bläsern der Knappschaftskapelle Bodenmais, die unter der Leitung von Hansi Kuchl gemeinsam mit dem Organisten Siegfried Elstner an der Orgel, für brillante Kirchenmusik sorgten. Vielmehr war es das Zusammenspiel mehrerer Komponenten, die diesen Gottesdienst zu einem ganz besonderen Ereignis machten.
Pfarrer Matthias Schricker freute sich über die gut gefüllte Kirche an dem Tag, an dem die Protestanten dem Anschlag der 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg durch Martin Luther im Jahr 1517 gedenken. "Martin Luther wollte keine Spaltung, er wollte Veränderung" mit diesen Worten begann Matthias Schricker seine Predigt und zeigte auf, dass das Glaubensbild zur damaligen Zeit von Angst vor Gott, vor dem Tod und vor Strafe geprägt war. Gekonnt spannte er den Bogen in die Gegenwart zu Halloween, in dem er ein Bild von schaurig-gruseligen Kindern in Kürbisgewändern malte, die mit den Worten "süsses, sonst gibts saures" beim Nachbarn klingeln. Ähnlich wie der Ausspruch des Ablasshandels, den Martin Luther bekämpfte, der da sagte "Wenn der Taler in dem Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt". Pfarrer Schricker zeigte weiter auf, dass man sich nach Martin Luthers Theorie die Gnade und Gerechtigkeit Gottes nicht erarbeiten oder gar erkaufen kann, sondern dass sie vielmehr durch den Glauben an Gott erlangt wird. Man darf so sein, wie man ist, braucht sich nicht zu verstellen, dann wird uns die Gerechtigkeit Gottes zugesprochen, beendete Matthias Schricker die bewegende Predigt zur Reformation.
Zuvor wurde im Rahmen des Gottesdienstes die Mesnerin Katharina Haller aus ihrem Amt "entfplichtet", wie es im Kirchenjargon heisst. Am 16.10.1972 leistete die "Bierl Kathl" , wie sie heute noch liebevoll genannt wird, ihren ersten Mesnerdienst in der Johanneskirche ab, obwohl ihr Vertrag eigentlich erst am 01.11.1972 begann. Über ein halbes Jahrhundert war Katharina Haller die Seele, aber auch das Gesicht und die Stimme der "Evangelischen" in Bodenmais. Sie hat insgesamt 15 Pfarrer während ihrer Dienstzeit kommen und gehen sehen, und begrüßte in ihrer unnachahmlichen herzlichen Art unzählige Einheimische und Feriengäste in "ihrer" Kirche, obwohl sie selbst ja katholisch ist. Vertrauensfrau Gertraud Häusler überbrachte gemeinsam mit Pfarrer Schricker die Dankesworte für ihr Lebenswerk, das sie in den Dienst der evangelisch-lutherischen Gemeinde stellte, und überreichte einen Blumenstraß in den Farben gelb und lila, symbolisch für die lithurgischen Farben der beiden Kofessionen. Die Ökumene lebt in Bodenmais in Harmonie, weil es an der Basis stimmt, und diese Ökumene lebte auch Frau Haller in ihren 53 Dienstjahren. Das wurde auch durch den Besuch vieler katholischer Christen, unter anderem Diakon Sepp Schlecht, deutlich. Was Katharina Haller in diesen 53 Dienstjahren für die evangelische Kirchengemeinde geleistet hat, ist nicht in Worte zu fassen. Das konnte man dem langanhaltenden Applaus der Gottesdienstbesucher entnehmen, nachdem Pfarrer Schricker die Mesnerin offiziell von ihren Aufgaben entplichtete und ihr gemeinsam mit den Vertrauensleuten Gertraud Häusler und Klaus Pister den Segen zusprach.
Nach dem fulminanten Schlusslied Großer Gott wir loben dich, ließen die Bläser der Knappschaftskapelle Frau Haller noch einmal hochleben mit dem Auszugsmarsch der Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel. Mit diesen imposanten Klängen ging ein Reformationsgottesdienst zu Ende, der allen Besuchern noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Bildbeschreibung: Mesnerin Katharina Haller mit Pfarrer Matthias und einigen Gemeindegliedern nach dem Gottesdienst (Foto: Seltsam - Schricker)
Text: Klaus Pister
